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Lebenslauf und Lebenskunst

Über den Umgang mit der eigenen Biographie

Erschienen am 03.04.2001, Auflage: 1/2001
23,50 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446199859
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 3 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Ist das Leben eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger glücklichen Zufällen? Oder folgt es einem Plan, den wir beeinflussen können? Der amerikanische Psychologe John Kotre zeigt, wie stark unsere Biographien von unserer Herkunft bestimmt sind und wie wir den roten Faden unseres Lebens entdecken und in Identitätskrisen sinngebend weiterspinnen können. Man lebt schließlich nur einmal und sollte das beste daraus machen.

Autorenportrait

John Kotre, am 4. April 1940 in Chicago geboren, war Projektdirektor am Institut für Soziale Forschungen an der Universität von Michigan. Heute lehrt Kotre Psychologie an der University of Michigan-Dearborn. Im Carl Hanser Verlag ist erschienen: Weiße Handschuhe. (Wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt. 1996). Für die von ihm entwickelten Fernseh- und Hörfunk-Serien Seasons of Life erhielt John Kotre den National Award for Excellence in Media der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft.

Leseprobe

Ein Begriff, dessen Zeit gekommen ist Es gibt ein Wort, das ein Dilemma umreißt, mit dem Individuen wie auch ganze Gesellschaften in ihrem Leben mehr und mehr in Berührung kommen. Eine fünfunddreißigjährige Frau berichtete mir von ihrem Leben als Unternehmensberaterin, und insbesondere wie sie am Ende eines zermürbenden Tages des Abends im Motelzimmer sitzt und sich fragt, weshalb ihre Kunden 275 Dollar die Stunde für ihre Dienste zahlen - und weshalb sie sich prostituiert, um diese Dienste zu leisten. Sie hatte über alle möglichen Einzelheiten ihres Lebens nachgedacht - über das Haustier, das gerade gestorben war, über die Kinder, die sie nicht bekommen hatte, über ihren Mann, der sagte, sie solle den Job an den Nagel hängen, über jenes eine Mal bei einer früheren Arbeitsstelle, als sie wirklich sah, daß ihre Bemühungen sich auf das Leben anderer positiv auswirkten. Doch jetzt. was bei alledem war von bleibendem Wert? Lag irgend jemandem überhaupt daran? Wen kümmerte es schon? Sie benutzte nicht das Wort, doch da war eine Leerstelle in ihrer "Generativität". Ein vierundsechzigjähriger Mann berichtete von einer ähnlichen Misere, unter der er etwa zehn Jahre zuvor gelitten hatte. Ihm war das Wort "Generativität" ebenfalls noch nicht begegnet. Er hatte in seinen jungen Jahren als Journalist gearbeitet, doch dann mit 43 Jahren eine Arbeit bei einem öffentlichen Versorgungsbetrieb angetreten, weil er mehr Sicherheit für seine Familie wollte. Er fing damit an, für den Nachrichten- und Informationsdienst der Firma Texte zu schreiben und zu redigieren, wobei es sich um Geschichten über einfache Arbeiter handelte, die manchmal heldenhafte Risiken auf sich nahmen, oder über kleine, weit abgelegene Gemeinden, in denen die Dienste seiner Firma Gutes wirkten. Er hatte Freude daran, eine Art Charles Kuralt "on the road" zu sein. Doch als er Mitte fünfzig war, merkte er, daß er immer unglücklicher wurde. Die Firma hatte ihre Informationspolitik geändert und wollte jetzt technische Tatsachen statt menschlicher Geschichten über "Leute von heute". Nun saß er daran, Texte mit Anweisungen zu bearbeiten, und die hatten nichts mit ihm zu tun. "Was ich da machte, hätte jeder machen können." Bei einer Umstrukturierung zur Kostensenkung bot die Firma ihm an, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Das erste Mal ließ er sich nicht darauf ein, das zweite Mal auch nicht, doch beim dritten Mal sagte er ja. Er schied mit 59 Jahren aus der Firma aus, und diese Entscheidung hatte sehr viel mit seiner "Generativität" zu tun. In beiden Fällen läßt sich aus der weiteren Entwicklung schließen, daß im Zentrum des Dilemmas die Generativität stand - also das Gefühl, wichtig zu sein, etwas von bleibendem Wert zu schaffen, das eigene Selbst an andere weiterzureichen. Im Laufe des folgenden Jahres hängte die Unternehmensberaterin ihren Job an den Nagel, sie holte sich zwei Hundewelpen ins Haus, begab sich in ärztliche Behandlung, um schwanger zu werden, und fing an, Pläne für die Gründung einer eigenen Beratungsfirma zu schmieden. "Ich wollte etwas hervorbringen, das außerhalb von mir ein Leben und eine Identität haben soll-te", sagte sie - etwas Authentisches. Der frühere Journalist antwortete auf eine Annonce, in der Leute zur Kinderbetreuung gesucht wurden. Er wurde ein Ersatzgroßvater für zwei kleine Jungen, dann für einen Zehnjährigen mit schwerer zerebraler Kinderlähmung, dann für einen Elfjährigen, der als Sohn eines lesbischen Paares aufwuchs. Da ihm das Schreiben nach wie vor Freude bereitete, machte er sich während des Arbeitstages Notizen, um sie den Elt

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